interpretation

kopfkissen der mutter - die goldene kugel - heiliger brunnen - guter vater - armut - aschenarbeit - innere feuer - im garten - liebe - spiralläufe des lebens - krieger - not - urvertrauen - tausend eiserne männer - parzifall - ende seiner lehrzeit

grundsätzlich möchte ich auf das buch von robert bly, "der eisenhans" hinweisen.

an dieser stelle eigene gedanken. genauer betrachten möchte ich das vater-sohn-verhältnis. es ist einer von vielen bunten fäden, die sich durch das märchen ziehen. der junge prinz erlebt verschiedene vater-figuren. er darf und kann von ihrer lebenserfahrung tanken.

die erste figur ist der wirkliche vater, ein könig. er begleitet den jungen, bis er acht jahre alt wird. dann entscheidet der junge, das elterliche schloss zu verlassen. nicht ganz freiwillig, und doch entscheidet er es. er möchte unbedingt seine goldene kugel zurück. diese liegt im käfig des "wilden mannes". diese kugel ist ein symbol für die macht und verantwortung über das eigene leben. interessant ist die frage nach der wildheit des mannes. was bedeutet dieses "wilde"? ich möchte den begriff des "wilden" aus der kolonialzeit entlehnen. die "wilden" waren die nichtzivilisierten völker, die von den zivilisierten ausgebeutet werden dürfen, denen der zivilisierte seine religion mit feuer und schwert missioniert.
dieses "wilde" entspringt einem tiefen verständnis der natürlichen abläufe, der menschlichen abhängigkeit von natur, die der westlich-zivilisierte mensch mit seiner technikgläubigkeit und allmachtsphantasie so gern ignorieren will.
in diesem "wilden" zustand werden entscheidungen im alltag und für das leben über den zugang zu eigenen gefühlen und "inneren stimmen" bestimmt. herz, kopf und bauch bilden eine einheit.

der junge übertritt das väterliche verbot, den käfig zu öffnen. er raubt den schlüssel unter dem kopfkissen der mutter. auf diesem kopfkissen träumt die mutter ihren traum des sohnes, sie entwickelt ihre gedanken und vorstellungen, wie er einmal nach ihren wünschen leben soll. der junge zerreist diesen draht zu den träumen der mutter und erwirbt sich seine eigene lebensverantwortung.
dabei verletzt er sich. diese wunde bringt ihn auch später in bedrängnis und gleichzeitig in der entwicklung weiter. es ist der eigentliche sinn von wunden.
als der junge den wilden mann bittet, ihn mitzunehmen, entscheidet er seine eltern zu verlassen. er will für sein tun nicht bestraft werden. der wilde mann weist ihn darauf hin: du wirst deine eltern nie wieder sehen. - "o.k."

ab hier begibt sich der junge in die hand des lebens. er verläßt die sichere und geborgene, mit todesstrafe belegte familiensituation. sein ankommen in der welt findet an einem heiligen brunnen statt. hier soll er drei tage lang diesen heiligen lebensquell bewachen. das ist eine überforderung für einen achtjährigen. doch er bewältigt diese aufgabe auf seine weise, er macht fehler und erhält dafür große geschenke. aus der ersten verletzung heraus (er klemmte sich den daumen beim öffnen des käfigs) wird ein goldener daumen.
im deutschen ein symbol für handwerkliches geschick. als seine haare in den heiligen lebensquell eintauchen werden sie vergoldet. er erhält weisheit. eine weisheit, die noch nicht im leben geprüft ist. so versteckt er sie unter dem tuch. der wilde mann weiß alles, er kennt auch die fähigkeiten des jungen. der wilde mann symbolisiert die figur des "guten vaters".
er hat ihn auf einem anderen gebiet erprobt: "du hast ein gutes herz", interpretiert: du hast fehler gemacht, hast dich dafür geschämt, doch du bist nicht weggelaufen, hast nicht sinnlos rumgestritten oder gezickt.

der wilde mann schickt den jungen in die welt, dort soll er lernen, was die armut tut. in der welt ist der junge auf sich gestellt, er lernt was man(n) wirklich zum leben braucht und lernt seine eigenen menschlichen fähigkeiten zu entwickeln.
der wilde mann schickt ihn in die welt, und er stellt sich ihm in den rücken, er hält ihm den rücken frei. hier wird eine wichtige erziehungsfunktion im guten vater sichtbar: kinder ihren weg gehen lassen, sie ihre fehler machen lassen und sie gleichzeitig zu beschützen, im falle der gefahr einzugreifen, lebensgefahr abwenden. kleine blessuren und verletzungen gehören zum menschsein, auch große. "ich helfe dir, wenn du in not bist" rufe drei mal "eisenhans". erst ab hier macht sich der wilde mann dem jungen vertraut. er nennt ihm seinen namen und bietet ihm seinen vollen reichtum an.

in der folge begegnet der junge verschiedenen vaterfiguren, die ihn unterstützen.
der koch nimmt ihn auf und läßt ihn aschenarbeit verrichten. für einen prinzen absolute dreckarbeit. doch er ist bewußt aus diesem prinzenstatus ausgestiegen, um die welt und sich selbst kennen zu lernen. aschenarbeit bedeutet: feuer kennenzulernen, die angst vor dem feuer zu verlieren. feuer beherrschen zu lernen, auch in er übertragung des eigenen jugendlichen feuers. robert bly weist auf eine möglichkeit hin, die heutigen kindern auch geboten wird, wenn die eltern und die kinder den mut dazu haben. in vergangenen zeiten lagen die jungen männer im norwegischen raum in der asche der langhäuser ... bis ihre aufgabe zu ihnen kam.

aschenarbeit bedeutet auch, in der eile des alltags immer wieder eine pause einzulegen, um altes und liegengebliebenes zu verbrennen. das eigene innere feuer brennt besser, wenn alte, längst verkohlte strünke luft kriegen, um endgültig zu verbrennen. dazu muss der normale brennprozess unterbrochen werden. eine möglichkeit dazu ist ein heilfasten im frühjahr. nach dem winter können der körper und die seele ihre reste verfeuern. auch patchwork-familien-beziehungen sind dadurch gekennzeichnet, dass noch verpflichtungen aus alten beziehungen existieren, dass vergangene beziehungen nicht geklärt sind, nicht kraftvoll beendet wurden oder alte sehnsüchte weiterleben. diese überbleibsel sind z.b. alte unverbrannte strünke.

im märchen steht ein wechsel an. dieser wechsel der lebenssituation wird durch eine krise ausgelöst. der könig, sein arbeitgeber, läßt ihn rauswerfen. der koch erweist sich auch hier als guter vater. er schützt ihn und tauscht den küchenjungen-prinz mit dem gärtnerjungen.

im garten lernt der junge die lebensabläufe der natur kennen. die kreisläufe der jahreszeiten, den zusammenhang von leben und tod, das ringen um pfleglinge und die möglichkeit des scheiterns. er lernt den boden zu bestellen, zu säen, um dann später zu ernten. ernten bedeutet erfolg zu haben, auch einen prozess zu beenden und danach die winterruhe zu genießen. im winter bereiten sich die samen auf das wachsen vor. diese ruhe ist lebenswichtig.

im garten trifft der prinz-küchenjunge-gärtner auch die liebe, oder trifft sie ihn? und er geht mit dieser liebe sehr kompetent um. er ist von anbeginn bei sich selbst, agiert und reagiert nach seinen bedürfnissen. die prinzessin erkannte ihn. sie ist die einzige, die sein goldenes haar kennt. vor allen anderen hat er es verborgen. er pflückt ihr, entgegen den anweisungen des gärtner-vaters wilde kräuter. und er ignoriert den wert des goldes, das sie ihm für die blumen gibt. er schenkt es den kindern des gärtners. beide spielen im turmzimmer der prinzessin ein liebesspiel. ein spiel von gegenseitigem entdecken und verstecken. er gibt sich nicht preis, um die prinzessin zu erobern. welche wunderbare gelegenheit wäre es für einen einfachen gärtnerjungen bzw. den prinzen, ein verborgenes spiel mit der prinzessin zu beginnen, wahrscheinlich mit dem tode bedroht. er bleibt bei sich. der prinz-küchenjunge-gärtner beweist eine erstaunliche selbstsicherheit und auch selbstbewußtsein für sein alter. er weiß, was er kann und will. er hatte und hat gute väter in seinem rücken.

er ignoriert das gold, die verlockung. was soll er in seinem garten auch mit dem gold? er lebt in seiner inneren zufriedenheit, in den kreisläufen oder besser spiralläufen des lebens, das leben bewegt sich im kreis vorwärts, es erreicht nie wieder einen vergangenen punkt.

dann wird dieser frieden bedroht und in dem prinz-küchenjunge-gärtner-liebhaber wird der krieger wach. er will kämpfen. er will den kampf schmecken, seine kräfte ausprobieren, allen zeigen, dass er ein mann ist und wird von allen beschämt. er überwindet die scham und holt sich in seiner not hilfe beim eisenhans, seinem über?vater. jetzt weiss er nicht weiter, diese aufgabe überfordert ihn, er ist in not. er könnte auch mit seinem hunkepuus in den wald hinken und vor wut über die beschämung rumtoben oder jammernd in den boden sinken. er wandelt die scham in erfolg. er glaubt an sich, an seine kraft und seine bestimmung und an die hilfe, die ihm von seinem vater zu teil werden kann. er hat immer die erfahrung machen können, dass er unterstützung bekommt. alles, was er falsch gemacht hat, alle verbotsüberschreitungen haben sich gewandelt. auf diesem urvertrauen, dass er im laufe seines kinderlebens erworben hat, gründet sich sein bitten. und er wird belohnt, der eisenhans gibt ihm tausend eiserne männer und er führt sie in die schlacht und besiegt den feind, restlos. hier wird eine ungnade in ihm sichtbar, die nicht in das bisherige bild des jungen passt. doch zu seiner jugendlichkeit und der euphorie der gewonnenen schlacht. er hat den könig gerettet und sich seiner aufgabe als würdig erwiesen. er hat als wissender ein heer angeführt und kommt als scheinbar unwissender und kleiner gärtnerjunge zurück gehinkelt: "hunkepuus, hunkepuus". die beschämung der anderen trifft ins leere.

nun beginnt eine zeit, in der der prinz-küchenjunge-gärtner-liebhaber-krieger an drei tagen hinter einander die hilfe seines vaters benötigt und immer wieder weise erhält. er erhält eine rote, eine weiße und eine schwarze rüstung und die entsprechenden pferde dazu.
rot als zeichen für eine wütende pubertäre phase, weiß als ein zeichen für ein erwachsen sein und das schwarz für das geklärte alter. (dazu s. robert bly)

in der mittelalterlichen literatur wird ein roter ritter beschrieben: parzifall. ein ritter der tafelrunde um könig arthus. im gegenüber zum prinzen aus dem märchen wuchs er fern von der welt der männer bei seiner mutter auf, kämpfende männer waren ihm unbekannt. die ersten ritter, die er traf, hielt er für götter und den nächsten erschlug er mit seinem stock. er hatte keinen gesunden zugang zu seiner aggression, parzifall kämpft sein ganzes leben lang. ihm bietet sich, als einzigem der ritter, die chance, den grahl zu erhalten: ihm erscheint das schloss und er sitzt mit dem fischerkönig an einem tisch. doch parzifall verpasst den grahl und kann auch den fischerkönig nicht erlösen, da sir parzifall an seinen eigenen konventionen scheitert: er kann sein mitgefühl dem anderen mann gegenüber nicht zeigen.

wieder im märchen: beim letzten fluchtversuch wird der junge am bein verletzt. (dazu s. robert bly) das pferd des eisenhans rettet ihn vor schlimmerem. die goldenen äpfel hat er wieder den kindern des gärtners geschenkt.

nun ist das ende seiner lehrzeit angekommen: der gärtner-vater geht zum könig und deckt alles auf, der könig ruft den prinz-küchenjunge-gärtner-liebhaber-krieger-prinz und stellt ihn zur rede. jetzt erst nimmt der prinz die kappe ab, jetzt kann er zu seiner weisheit und seiner macht stehen, er hat sie im leben ausprobiert. es ist lebendige weisheit, verbunden im mitgefühl. macht aus sich selbst heraus.
er nimmt sich im bewußtsein seines wesens selbstbewußt seine frau, die ihn schon lange kennt. als der eisenhans als erlöster könig zur tür hereinkommt, geschieht etwas für vater-sohn-beziehungen sehr wichtiges: der sohn hat von der kraft und dem reichtum des vaters genommen und den vater dadurch reich gemacht und erlöst.
beide können wieder könig in ihrem leben sein.

   
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