ikarus landet

Er wollte nicht sterben. Er wollte seinen eigenen Weg finden.

Beim Spiel am Schmiedeofen entdeckte Ikaros, dass Wachs härter wird, wenn er es mit der Erde, die er hier fand, gut durchknetet. Diese Mischung schmolz nicht, als er der Sonne näher kam.

Ikaros kämpfte sich flatternd direkt vor die Sonne, sodass ihn sein Vater nicht mehr sehen konnte.
Dann flog er davon. Er segelte jahrelang über die Meere, Tag und Nacht, sommers wie winters.
Dabei lernte er schweben, was für Menschen unmenschlich ist. Ihr Körper ist nicht zum Fliegen geschaffen, diese sinnlosen Stelzen, die wie Schiffsmasten nach unten ziehen. Arme, die Schwerter handhaben, doch keinen Auftrieb entwickeln können. Ein Gesicht das beständig nach unten blickt, ein viel zu kurzer Hals um den Kopf aufzurichten. Hände haben keine Aufgaben, der Mund vertrocknet.

Ikaros lernte fliegen, er vergaß seine Beine, sein Gesicht formte einen Vogelschädel. Er wandelte Einsamkeit in Alleinsein.

Ikaros lernte fliegen und noch viel mehr. Er sah fremde Länder, fremde Sitten, er sah die Sterne so nah und er segelte mit dem Albatros um die Wette ...
Und dann beschloss Gott, dass Ikaros landen soll.

Ikaros sehnte sich nach der grünen Kühle des Grases, er vermisste die lauten und leisen Laute der Menschen, sein Körper gierte nach dem Blau des Wassers, nach Sichtreiben lassen, versinken, gedämpfter Stille, dem Aufundab der Wellen. Seine Ohren hatten lange kein splitterndes Holz gehört und sein Knacken im Feuer - Wärme im Gesicht spüren. Ikaros wollte tanzen, endlich wieder tanzen.
Doch wie landen, wie fühlt sich Erde an, wird sie ihn zerschmettern? Die Beine, wo sind die Beine?

Er landet, überschlägt sich und so wie er zum Liegen kommt, bleibt er liegen. Erde wärmt seinen Rücken, die Sonne sein Gesicht. Ein Löwenzahn blüht neben ihm: „Sei willkommen“ Goldgelb wie die Sonne, tief verwurzelt in der Erde, kann auch er fliegen. Viele Samen trägt der Wind davon. Löwenzahn ist bitter heilsam.
Die Erde schenkt ihm von ihrer Kraft. Ikaros kann sich wieder bewegen, er richtet sich auf, streift die Flügel ab, steckt sich eine Feder in die Haare und geht einfach los.
Er schlendert, schreitet einfach dorthin, wohin ihn seine Nase führt, seine Beine tragen, wo er zu Hause ist ... Er gründet eine Familie, bestellt seinen Garten.

Seine Kinder helfen ihm dabei. Am Haus leben Schwalben und sein kleiner Sohn sieht immer wieder gebannt zu, wie sie an die Wand geklammert, ein paar Spritzer Lehm daran picken, wieder abspringen und im eleganten Bogen davon fliegen. Fliegen, um im Schlamm zu picken, Erde zu holen für ihr Haus. Es dauert Tage um Tage und viele Schwalben fliegen unermüdlich mit erdigen Schnäbeln zum Nest, das langsam aus der Wand heraus wächst.

Eines Abends fragt sein Sohn: „Vater, wieso können Vögel fliegen und wir nicht?“
An diesem Abend fängt Ikaros wieder an, Flügel zu bauen, für sich und seine Kinder. Er will das Segeln, Schweben, Flattern, Fliegen seinen Kindern beibringen. Er will gemeinsam mit ihnen fliegen. Es tut gut zu fliegen, wenn man ein Heim hat. Es tut gut, nah bei den Sternen zu sein oder mit dem Albatros um die Wette zu segeln, um dann wieder die Beine auf die Erde zu stellen.

Mensch zu sein.

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