Die Hinterglasmalerei ist eine besondere Maltechnik: Der Farbauftrag erfolgt in umgekehrter Reihenfolge auf die Rückseite des Bildes direkt auf das Glas. Die Pinselstriche, die bei der "normalen" Malerei als letztes aufgetragen werden, z.B. die Glanzlichter im Auge oder auf Vogelfedern, müssen als erstes gemalt werden. Ein Bild baut sich so unter Umständen auf mehreren hellen Linien auf. Im Unterschied zur Glasmalerei fällt das Licht nicht durch das Glas und die Farben, sondern wird von einer weißen Reflektionsschicht hinter den Farben wieder durch das Glas zum Betrachter reflektiert. Hinterglasmalerei kann besser AUFglasmalerei heißen, denn es liegt nicht in der Absicht des Künstlers, das der Betrachter durch das Glas hindurch sehen soll. Er soll darauf sehen. Das Licht schlendert zweimal durch das Bild: es genießt und wird wieder nach vorn reflektiert.

Ich male seit einiger Zeit auf Fenstern und Türen.
Sie stammen aus dem Studentenwohnheim Dresden-Güntzstrasse und haben wohl viel Freude und Traurigkeit erlebt, manche erste oder letzte Liebesnacht, manches Haare raufen vor und nach Prüfungen, Weinballons mit Zwieback, Rosinen, Zucker und Bäckerhefe, die lustig vor sich hin blubbern, schlafende stillende Mütter mit Baby und Buch. Können Fenster auch hören und riechen?
Die Fenster klappen auf wie alte Bücher, manche sind schon sehr alt, verrostet und klemmen. Öl, Geduld und Hartnäckigkeit haben bisher alles gelöst. Für das Bearbeiten der Fenster braucht es weder Strom noch Chemie, allein Muskelkraft und diverse scharfe Metallklingen lassen die alte Farbe wegplatzen, davon flitzen und sich im Staub auflösen. Das Putzen der alten Fenster ist dann der nächste Schritt.
Es ist gut, die eigene Kraft zu spüren.
Das Herrichten der Fenster und das Malen ist eine wundervolle Ergänzung von grober körperlicher Arbeit und leisem konzentriertem Arbeiten oder spontanem Farbausbruch. Für mich bedeutet alles: Kontakt aufnehmen mit dem Fenster, zu spüren, was braucht oder will es. Kratze ich die Farbe penibel ab oder lasse ich die Seiten stehen: "Zen und die Kunst des Fensters." Das Malen mit Acrylfarben wird möglich, da ich das Glas sorgfältig entfette, die Farben haften gut.
Die besondere Art der Farben ermöglicht zum einen ein relativ schnelles Arbeiten. Zum anderen sind Übergänge zwischen den Farben und Farbverläufe nur durch mehrere Schichten erreichbar. So bauen sich verschiedene Bilder (z.B. Fruchtbarkeit) aus zehn und mehr Schichten auf.

Die Hinterglasmalerei ist eine sehr lebensnahe Technik. Auf meiner ersten Entscheidung baut sich das ganze Bild auf. Es gibt Korrekturen nach hinten, auf den vorderen Schichten kann ich nichts mehr ändern.
Allerdings bietet die Glasmalerei auch den Vorteil, dass ich ein Bild wieder vollständig abkratzen kann, so als wäre nichts geschehen. Dieser Vorgang vollzieht sich im Leben eher selten. Und es ist ja auch etwas geschehen. Ich habe Erfahrungen gemacht, etwas nicht stimmig gefunden, einen Weg verfolgt, der nicht schlüssig war .... wie im Leben. Diese Korrektur bedeutet einen radikalen Neuanfang.

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